Konjunkturelle Rahmenbedingungen der Stahlrecyclingbranche
Die deutsche Stahlrecyclingbranche blickt pessimistisch auf das kommende Jahr und die überbordende Bürokratie stellt ein Investitionshemmnis für viele Betriebe dar. Dies ist die Kernaussage der jährlich von der BDSV erhobenen Branchenumfrage im September 2024.
Aus Branchenumfrage geht hervor, dass sich die Stimmung der Befragten weiter eingetrübt hat und etwa 2/3 der befragten Mitgliedsunternehmen ihre Geschäftslage im Jahr 2025 schlechter einschätzen als in diesem Jahr. Lediglich 2 % der Mitgliedsbetriebe erwarten 2025 eine bessere Geschäftslage.
Nur noch etwa 15 % der befragten Unternehmen planen mittelfristig höhere Investitionen – im Vergleich zur letztjährigen Umfrage hat sich dieser Wert deutlich um etwa 13 % reduziert. 1/3 der befragten Mitgliedsunternehmen planen geringere Investitionen zu tätigen. Knapp 52 % Unternehmen planen mit Investitionen in gleicher Höhe. Etwa 21 % der befragten Mitgliedsunternehmen sehen in der Bürokratie ein Investitionshemmnis und haben zukunftsweisende Projekte aufgegeben, da behördliche Genehmigungsverfahren zu lange gedauert haben. Dessen ungeachtet planen 60 % der befragten BDSV Mitgliedsunternehmen für die kommenden Jahre eine Qualitätsoptimierung durch eine bessere Aufbereitung.
Aus der BDSV Branchenumfrage geht ferner hervor, dass insbesondere die Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung, der LKW-Fahrermangel, hohe Transportkosten, der geringe Materialzulauf, steigende Produktionskosten oder Batteriebrände der Recyclingbranche Sorge bereiten. Bei der Hälfte der befragten Mitgliedsunternehmen gab es mindestens einmal in den letzten 5 Jahren Brandereignisse aufgrund von Lithium-Ionen-Batterie-Fehlwürfen.
Bei der mittelfristigen Personalplanung planen nur noch 17 % der befragten Unternehmen neue Mitarbeiter einzustellen – damit hat die Bereitschaft neues Personal aufzubauen gegenüber der letztjährigen Umfrage markant, um etwa 20 %, abgenommen. 73 % planen, die Zahl der Mitarbeiter konstant zu halten und 10 % der Unternehmen planen einen Stellenabbau. Insgesamt hat sich die Situation am Arbeitsmarkt etwas entspannt. 79 % der befragten Unternehmen geben an, Schwierigkeiten zu haben, geeignetes Personal zu finden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Rückgang von etwa 11 %.
Markt: Schrottnachfrage steigt mit dem moderaten Zuwachs in der Rohstahlproduktion
Die deutsche Wirtschaft stagniert und tritt seit dem Frühjahr 2022 auf der Stelle. Die konjunkturelle Entwicklung macht auch vor der Stahlrecyclingwirtschaft keinen Halt. Während die schwierige Situation in der Bauwirtschaft zu einer markanten Reduzierung im Altschrottzulauf führte, fuhren Stahlverbraucher ihre Produktion zurück, da sie für ihre Produkte keine Ab-nehmer identifizieren konnten. Dies hat einen spürbaren Rückgang an Produktionsabfällen (Neuschrott) zur Folge. Auf die reduzierte Nachfrage haben die Verbraucher mit der Anpassung ihrer Produktionskapazitäten sowie mit Kurzarbeit reagiert.
In den ersten acht Monaten 2024 konnte die Rohstahlproduktion in Deutschland, wenn auch von einem schwachen Niveau ausgehend, um 4 % zulegen – insgesamt wurden zwischen Januar und August 25,4 Mio. t Rohstahl produziert. Während die Elektrostahlproduktion in diesem Zeitraum um 8,6 % zulegen konnte, steigerte die Oxygenstahlproduktion ihren Output um knapp 2,2 %. Für den Zuwachs sind insbesondere die Baustahl- und Trägerproduzenten verantwortlich, die ihrerseits zahlreiche Infrastrukturprojekte bedienen.
Mit der verbessertem Rohstahlproduktion in Deutschland insbesondere bei der Elektrostahl-produktion hat sich der Schrottverbrauch im ersten halben Jahr merklich erhöht. Gleichzeitig war der Zulauf stark unterdurchschnittlich, sodass Angebot und Nachfrage weiterhin auf geringem Niveau ausbalanciert sind. Mit Blick auf die fehlende Investitionsdynamik in der deutschen Wirtschaft und der stotternden Transformation der Industrie wird die Schrottnachfrage das prekäre Angebot nicht überfordern.
Fraunhofer IML präsentiert Ergebnisse der Fraunhofer-Studie zur „Schrottlogistik“ – BDSV formuliert zentrale Forderungen für die Branche
Im Rahmen der Studie "Schrottlogistik" des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik wurden die Entwicklung der Stoffströme in der Schrottlogistik und die Veränderungen des Marktes angesichts der digitalen Transformation und der Nutzung verschiedener Transportsysteme untersucht. Die Bedarfsanalyse hat ergeben, dass die Planbarkeit der Transporte für Empfänger immer relevanter wird, um Anlagen der Aufbereitung und der Stahlherstellung gleichmäßig auszulasten und Lagerbestände gering zu halten. Ergänzt wird dies durch eine wachsende Bedeutung von Analysen und Zertifikaten, um Schrottqualitäten sicherzustellen.
Diese Trends und die Spezifika von Stahlrecyclingtransporten wurden in zwei Szenarien abgebildet: dem "Stahlrecyclinghub" sowie der "Selbstgesteuerten Logistik mittels Kombiniertem Verkehr". Die modellierten Szenarien repräsentieren mögliche Schrottlogistik-Varianten bei Integration innovativer Transportsysteme und Technologien. Der vermehrte Einsatz von Ganzzügen zwischen Hubs und Stahlwerken oder von Seehäfen ermöglicht planbare und zuverlässige Transporte. Kleinere Sendungsmengen in Wagengröße lassen sich perspektivisch mittels Kombiniertem Verkehr transportieren. Durch den gezielten Einsatz von Digitalisierungs- und Automatisierungstechnologien ergeben sich Potenziale, vor allem im digitalen Informationsfluss (z. B. Zertifikate und Frachtbriefe) und im automatischen Handling des Equipments (z. B. Digitale Automatische Kupplung).
Durch die Realisierung dieser Szenarien lassen sich Transportketten zuverlässiger und transparenter gestalten sowie bedarfsgerechte und modulare Transporte organisieren.
Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik hat die Studie im Auftrag der DB Cargo AG und der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen e.V. (BDSV) von Mai 2024 bis September 2024 durchgeführt.
Zentrale Forderungen der BDSV zur Studie „Schrottlogistik“
Der Stahlrecyclingverband BDSV erhebt zentrale Forderungen, um eine nachhaltige und effiziente Entwicklung der Branche im Bereich der Schrottlogistik zu gewährleisten. Ziel ist es, mehr Schrotttransporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern und dabei einen zusätzlichen Beitrag zur CO₂-Reduzierung in den Prozessen der Stahlherstellung zu leisten.
Die BDSV fordert die Reduzierung der Wagenstandzeiten und schnellere Durchlaufzeiten. Die Standzeiten der Waggons sollen signifikant verkürzt und die Durchlaufzeiten optimiert werden, um den Schienengüterverkehr effizienter zu gestalten und die Transportkette für Stahlrecyclingbetriebe zu beschleunigen. Dies könnte durch gezielte Investitionen in die Infrastruktur und eine engere Zusammenarbeit zwischen Eisenbahnunternehmen und Stahlrecyclingbetrieben erreicht werden. Modulare Systeme, die eine schnellere Abwicklung und effizientere Nutzung der Verladeinfrastruktur ermöglichen, spielen hierbei eine wichtige Rolle.
Zudem spricht sich die BDSV für die Einführung von Poollösungen für Eisenbahnwagen aus, um die Verfügbarkeit zu erhöhen und gleichzeitig die Flexibilität der Transportprozesse zu verbessern. Modulare Systeme sind von großem Vorteil, da sie eine effizientere Nutzung der Wagen und eine schnellere Anpassung an veränderte Transportbedürfnisse ermöglichen. Dabei wird betont, dass dies nicht zu zusätzlichen Investitionen durch die Stahlrecyclingindustrie führen sollte und die Kosten für Bahntransporte insgesamt deutlich unter denen des Lkw-Transports liegen müssen. Aktuell gibt es Strecken, bei denen der Lkw bis zu 15 Euro pro Tonne günstiger ist.
Es soll geprüft werden, inwieweit neue, im Kombinierten Verkehr (KV) einsetzbare Behälter in die bestehende Transportkette integriert werden können. Hierbei muss sichergestellt werden, dass sowohl die Behälter selbst als auch die Umschlagmöglichkeiten für einen reibungslosen Betrieb geeignet sind. Modulare Behältersysteme, die in verschiedenen Verkehrsträgern eingesetzt werden können, tragen dazu bei, die Effizienz im Schrotttransport erheblich zu steigern. Fördermöglichkeiten für die Markteinführung innovativer Technologien, etwa durch das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung (DZSF), sollten von der Politik unterstützt werden.
Die BDSV fordert zudem eine Steigerung der Zuverlässigkeit in der Wertstoffkette. Händler müssen sich als wichtigste Partner der Supply Chain und der Wertschöpfungskette etablieren, indem sie hohe Standards hinsichtlich Verfügbarkeit, Sortenreinheit und Zuverlässigkeit erfüllen. Die BDSV wünscht sich daher eine noch engere Zusammenarbeit mit den Stahlwerken und eine planmäßige Partnerschaft.
Politische Forderungen
Politisch fordert die BDSV einen niedrigen Strompreis zur Sicherung des Industriestandorts Deutschland. Eine langfristige Sicherung wettbewerbsfähiger Strompreise ist notwendig, um die industrielle Produktion und die Stahlrecyclingbranche in Deutschland zu erhalten und den Transformationsprozess hin zu einer CO₂-armen Stahlproduktion zu unterstützen. Weiterhin wird politische Unterstützung gefordert, um ressourcenschonende Produktionskonzepte voranzutreiben. Dies könnte durch Anschubförderungen für die Einführung neuer Technologien im Bereich Schrotttransport und -aufbereitung erfolgen.
Die BDSV setzt sich auch für die Weiterentwicklung und Förderung des Einzelwagenverkehrs ein, da dieser eine zentrale Rolle in der Logistikkette der Stahlrecyclingbetriebe spielt. Er sichert die notwendige Flexibilität und ermöglicht den effizienten Transport von Schrott weg von der Straße hin zur Schiene.
Schließlich fordert die BDSV den Erhalt bestehender Aufbereitungsflächen. Da neue Genehmigungen mit hohen regulatorischen Auflagen verbunden sind, ist der Erhalt und die Nutzung bestehender Flächen zur Aufbereitung von Stahlschrott entscheidend, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Stahlrecyclingbranche zu sichern. Auch in diesem Zusammenhang fordert die BDSV beschleunigte Genehmigungsverfahren ("Fastlane") für alle Projekte, die CO₂ einsparen.
Verbesserte regulatorische Rahmenbedingungen und „Fastlane“ für Genehmigungen von CO₂-einsparenden Projekten in der Stahl- und Metallrecyclingindustrie
Die Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV) sowie der Verband Deutscher Metallhändler und Recycler (VDM) fordern eine dringende Anpassung der umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren in der Stahl- und Metallrecyclingwirtschaft. Insbesondere setzen sie sich für eine „Fastlane“ bei Genehmigungen von Projekten ein, die CO₂-Emissionen reduzieren.
„Die Transformation der EU zur Klimaneutralität bis 2050 im Rahmen des ‚Green Deal‘ stellt enorme Herausforderungen dar, die nur durch erhebliche Investitionen und technologische Innovationen zu bewältigen sind“, erklären die Verbände in einem Brief an die Fraktionen des Bundestages. „Doch die zunehmenden regulatorischen Auflagen hemmen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Genehmigungsverfahren, die oft zwei Jahre oder länger dauern, führen zu untragbaren Kostensteigerungen und beeinträchtigen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche erheblich.“
Die Verbände betonen, dass Projekte, die zur CO₂-Reduktion beitragen, besonders schnell genehmigt werden sollten. Eine „Fastlane“ für solche Projekte würde nicht nur die Klimaschutzziele unterstützen, sondern auch die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stahl- und Metallrecyclingindustrie stärken. Besonders im aktuellen geopolitischen Kontext ist eine starke und flexible Stahl- und Metallrecyclingwirtschaft essenziell, um eine robuste Rohstoffversorgung und Resilienz zu gewährleisten. Die Branche trägt maßgeblich zur Reduktion von CO₂-Emissionen bei und hilft, wertvolle Ressourcen zu schonen.
Die wesentlichen Anliegen der Branche, wie sie im vorgelegten Forderungskatalog aufgeführt sind, umfassen unter anderem:
1. Genehmigung von Mengenänderungen im Schrott: Langwierige Verfahren verhindern schnelle Reaktionen auf Marktveränderungen.
2. Innovationshemmende Regelungen für semimobile Anlagen: Diese sollten bis zu sechs Monate im Probebetrieb ohne vorherige Genehmigung laufen dürfen.
3. Überzogene Anforderungen an die Abwasserbehandlung: Besonders kleinere Betriebe werden hierdurch unverhältnismäßig belastet, ohne nennenswerte Umweltvorteile zu erzielen.
Die Verbände fordern daher eine Überarbeitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Einführung einer „Fastlane“ für Genehmigungen von CO₂-einsparenden Projekten, um die wirtschaftliche Effizienz zu steigern und die Klimaschutzziele zu erreichen. „Wir appellieren an die Politik, die Dringlichkeit dieser Anliegen zu erkennen und entsprechende Reformen auf den Weg zu bringen“, so die Verbände abschließend.
Aus dem Verband: Vorstand der BDSV für weitere drei Jahre im Amt bestätigt - Frau Dr. Claudia Conrads tritt ihr Amt als Hauptgeschäftsführerin zum 01.11.2024 an.
Der Vorstand der BDSV mit Präsident Andreas Schwenter, Vizepräsident Stephan Karle und Schatzmeisterin Stefanie Gottschick-Rieger wurde für weitere drei Jahre im Amt bestätigt. Die neue Hauptgeschäftsführerin der BDSV, Dr. Claudia Conrads, wird ihr Amt am 01.11.2024 antreten und gemeinsam mit Geschäftsführer Guido Lipinski die Leitung des Verbandes und der Geschäftsstelle übernehmen.